Killer

Internet kills the newspaper. Das ist ein von einer kleinen Schar sogenannter Online-Experten immer wieder gerne kolportiertes Klischee. Nur wird es dadurch nicht richtiger. Denn das Schauermärchen vom Killer Internet ist vor allem eine schöne Ausrede.

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Eine Ausrede für die Verlagsmanager, die heute das Sagen und sich ihre ersten Streifen in der New Economy verdient haben. Eine Ausrede für ihr Versagen, das neue Medium anzunehmen, mit all seinen Unwägbarkeiten und Chancen, ohne dabei gleich alles zu vergessen, was sie mutmaßlich mal gelernt haben. Stattdessen sind sie den Heilsversprechen der Dotcom-Rattenfänger aufgesessen, dass das Internet alles verändert und man mit Nix richtig viel Geld verdienen kann. Irgendwie.

Damals wurden Inhalte zu Content. Und Content wurde King. Für Content brauchte man keine hochbezahlten Autoren mehr, er entstand in den Communities quasi von selbst und konnte vermarktet werden. Community – Content – Commerce hieß der eingängige Dreisatz, den irgendwelche McKinsey-Arschlöcher erfunden haben und der bei ebenso ahnungslosen wie jungen Verlagsmanagern verfing. Sie rochen den richtig fetten Reibach.

Mit Zeitungen und Magazinen konnte man (und kann heute noch) richtig viel Geld verdienen. Obwohl Zeitungmachen ein teures Geschäft ist: Gut bezahlte Journalisten mit Spesen- und Reisekonten, dazu eine Druckerei, eigene Vertriebsstrukturen. Das kostet. Das Internet dagegen versprach die Maximierung des Profits durch weitgehend entfallende Produktionskosten. Keine Druckmaschinen mehr, keine Papierkosten, kein Vertrieb.

Und das Beste: Im Internet produziert sich der Content von alleine. Mit Nix viel Geld verdienen, und dann beim IPO richtig absahnen. Dieser Mindset ist sozusagen die Ursünde. Bis heute hält sich hartnäckig die Vorstellung der billigen Contentmaschine, die maximale Rendite abwirft. Das Rendite-Dogma, das McKinsey-Arschlöcher nunmal mit der Muttermilch aufsaugen, infizierte eine Branche, die vorher auch höhere Ideale hatte.

Erschwerend kam die große Werbelüge hinzu: Das Internet ermöglicht zielgruppengenaue Werbung bis in die kleinsten Nischen, mit akkuraten Reichweitenmessungen und präzisem Reporting. Doch sollte sich dabei herausstellen, dass die Reichweite vor allem eins war: total überschätzt. Damit brach die große Lüge, die das Geschäft bisher zusammenhielt, zusammen. Das System beruht auf dem guten Willen aller Beteiligten, die Übereinkunft Quoten, Zielgruppen und Reichweiten nicht zu hinterfragen.

Der Leser wird im Netz zum „User“, als sei Content eine Droge. Die Produzenten strecken den Stoff, bis er kaum noch Substanz hat und ungenießbar wird. Sie bilden Kartelle und unterdrücken die Konkurrenz. Künftige Lesergenerationen werden entwöhnt: Sie wissen guten Journalismus nicht mehr zu schätzen, weil sie nie welchen kennenlernen. Von der deutschen Blogosphäre ist bisher – mit Ausnahmen – keine Rettung zu erwarten. Wer eine launige Jamba-Story oder ein paar zusammengegoogelte Fakten schon für eine investigative Rechercheleistung hält, dessen Aufmerksamkeitsspanne wird für die Rettung des Journalismus kaum reichen.

Das Internet kann Print gar nicht killen, weil das schon die Verlagsmanager und die Werbeindustrie übernommen haben. Journalismus ist zu Content verkommen, zur Sättigungsbeilage für großformatige Vierfarbanzeigen. Zeitungen und Magazine, die ihren Job nicht machen und ihre Leser nicht mehr herausfordern, werden nicht überleben. Journalismus hat damit das gleiche Problem wie die Musik- und Filmindustrie: Das Internet raubt ihm das einträgliche Kontrollmonopol über den Vertriebsweg, ist aber selbst noch keine finanzielle Alternative.

Um so viele der überflüssigen Magazine, die sterben werden, ist es nicht schade. Doch dass es im Netz noch kein Geschäftsmodell für guten Journalismus gibt, ist ein existenzielles Problem. Ein echter Verleger könnte jetzt sagen: Wir haben Jahrezehnte super verdient, das sitzen wir aus und experimentieren. Den McKinsey-Klonen fehlt dafür der Horizont. Sie haben keine Konzepte: Außer „Paid Content“ und „Micropayment“ fällt ihnen dazu nichts ein. Nur hat das schon 2001 nicht funktioniert.

4 Antworten

  1. […] Monopole und den Return der McKinsey-Arschlöcher Klone aka «Paid Content»-Dealer gibt es hier. Noch keine Kommentare « Neues […]

  2. […] 5. “Killer” (fooldc.wordpress.com) Eine Anklage zum Wandel des Journalismus: “Der Leser wird im Netz zum ‘User’, als sei Content eine Droge. Die Produzenten strecken den Stoff, bis er kaum noch Substanz hat und ungenießbar wird. Sie bilden Kartelle und unterdrücken die Konkurrenz. Künftige Lesergenerationen werden entwöhnt: Sie wissen guten Journalismus nicht mehr zu schätzen, weil sie nie welchen kennenlernen.” […]

  3. […] gute Darstellung der stattgehabten Entwicklung gibt es im Blog von FoolDC, ein Text, der in seiner Luzidität jede bisherige Darstellung aus dem holzmedialen Raum um Längen […]

  4. „Journalismus ist zu Content verkommen, zur Sättigungsbeilage für großformatige Vierfarbanzeigen“ – diese Beschreibung habe ich unbewusst schon seit längerer Zeit gesucht. Danke! 🙂

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