Tweeting Politics

Im ZDF heute journal heute abend wieder bitchy Berichterstattung gegen Wahlprognosen über Twitter. Jeez. Wo war jetzt nochmal genau das Problem? Ich glaube nicht, das ein paar getwitterte Prozentzahlen die Wahl in letzter Minute noch zu Gunsten der Sozialdemokraten kippen können. Aber darum geht es bei dem ganzen Gezeter auch nicht.

Es geht um die Informationshoheit. ZDF-Chef Brender lässt sich stellvertretend für alle sogenannten Qualitätsjournalisten zu einer persönlichen Suada herab, weil vor allem die Öffentlich-Rechtlichen um ihre exklusive Gatekeeper-Funktion fürchten. Und die Politiker haben vor nichts mehr Angst, als dann in der Elefantenrunde nicht das erste Wort zu haben und damit ihre Interpretation, ihren Spin durchzudrücken.

Wo kämen wir denn da hin.

3 Antworten

  1. Die Regel,dass Exit Polls vor Schließung der Wahllokale nicht publiziert werden dürfen, ist selbstverständlich sinnvoll. Daran ändern Ihre salopp-witzigen Formulierungen nichts.

    Und die Willi Wichtigs, die sich für 15 Minuten berühmt zwitschern möchten, haben sich, wie alle anderen, an demokratische Spielregeln zu halten. Um solche Spielregeln (die z.B. die Iraner schmerzlich vermissen) geht es nämlich, nicht etwa um „Informationshoheit“.

  2. Diese Regel wird nicht sinnvoller, nur weil das – wie hier von Ihnen – hartnäckig behauptet wird. Mit Regeln ist es ein bisschen so wie mit Gesetzen: Sie sind nur dann sinnvoll, wenn sie sich auch durchsetzen lassen. Das wird im Zeitalter digitaler Überallkommunikation in diesem Fall ein bisschen schwierig, weil Willi Wichtig (in diesem Punkt teile ich Ihre Meinung) nun einen Kanal hat, um sich ein bisschen aufzuplustern. That’s human nature.

    Insofern wäre es m.E. durchaus angebracht, über denn Sinn der „demokratischen Spielregeln“ unserer Altvorderen einmal neu nachzudenken. Wir werden in den Tagen vor der Wahl fast täglich mit Umfragen und allerlei Statistiken bombardiert. Das am Wahltag soll plötzlich demokratiegefährdend sein?

    Oh, und im Iran geht es, wie in jedem totalitären Regime, natürlich auch um Informationshoheit.

  3. Naja, ein hinreichender Grund für die bestehende Regel liegt darin, dass die Veröffentlichung von Resultaten der Nachwahlbefragungen vor 18 Uhr für das Gemeinwohl keinen potenziellen Vorteil hat, wohl aber einen potenziellen Nachteil. Zumindest theoretisch kann eben unter Umständen ein knappes Wahlergebnis durch die vorzeitige Veröffentlichung ins Gegenteil verkehrt werden; denken Sie etwa an die US-Präsidentenwahlen vor 9 Jahren als Bush hauchdünn gewann.

    Die Justizministerin hat angedeutet, wie man die Regel sehr wohl durchsetzen könnte: durch ein Verbot von Nachwahlbefragungen. Dann bekäme der Bürger erste Ergebnistendenzen erst später am Abend aus den Hochrechnungen und, was vielleicht schwerer wiegt, er bekäme kaum noch verlässliche Informationen über Wählerwanderungen und Sozialstrukturen. Die twitternden Wichtigtuer würden so am Ende nicht für ein Mehr, sondern für ein Weniger an Information sorgen.

    Sie haben Recht, Umfragen vor dem Wahltag beeinflussen die Wahl ebenfalls, und dass mit Demoskopie oft Schindluder getrieben wird, denke ich auch. Trotzdem ist das etwas anderes: darauf können die Kontrahenten ja im öffentlichen Disput noch reagieren.

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