Restrisiko
16. März 2011

Ich weiß nicht, was ich davon halten soll: In Japan entfaltet sich eine Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes und der deutsche Politbetrieb ist in einer selbstferenziellen Spirale gefangen. Die Bundesregierung zeigt hektischen Aktionismus, sie wird dafür von Opposition und Hauptstadtjournaille gleichermaßen scharf angegriffen. Zweifel an der rechtlichen Grundlage des Moratoriums werden vorgebracht. Darf die das? Wahrscheinlich nicht. Ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz einfach per Ordre de Mufti auszusetzen ist in einer parlamentarischen Demokratie ein unerhörter Vorgang. Die Aufregung ist sicher berechtigt. Aber gibt es Alternativen? Ich mag mir die hyperventilierenden Grünen und Roten kaum vorstellen, hätte Merkel erstmal die Füße stillgehalten und erklärt, es gebe keinen unmittelbaren Handlungsbedarf.

Jetzt muss sich die Kanzlerin vorwerfen lassen, sie wolle sich mit dem Moratorium nur über die wichtigen Wahlen der nächsten Wochen retten. Dabei scheint die Opposition tatsächlich zu glauben, sie sei der billigen Taktiererei völlig unverdächtig. Es ist abstoßend, dass ein SPD-Chef am Samstag vor laufenden Kameras zum Innehalten mahnt, nur um am Tag später voll in den Wahlkampfmodus zu schalten. Das Dilemma: Ich ahne, dass die Vorwürfe von SPD und Grünen trotz ihrer erbärmlichen Scheinheiligkeit im Kern zutreffen könnten. Zumindest bei Mappus, dem seine geistige Wende nicht mal mehr die eigenen Wähler abnehmen dürften, und dessen politische Karriere nach dem 27. März hoffentlich zu Ende ist.

Noch schneller als der Politbetrieb drehen sich die Medien. (mehr …)

Politbetrieb
13. März 2011

Während in Japan gerade ein Atomkraftwerk nach dem anderen durchglüht und damit für die Atompolitik auch hierzulande das eingetreten ist, was man neudeutsch als Game Changer bezeichnet, sondert der Berliner Politbetrieb weiter Worthülsen ab. Damit tun sich insbesondere Regierungsvertreter hervor, die offenbar meinen, trotz des Lippenbekenntnisses, jetzt könne nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen werden, mit der üblichen Taktik alles aussitzen zu können: beschwichtigen, relativieren, zerreden.

Gerade hat sich Volker Kauder im ZDF die Prügel für den zuständigen Minister abgeholt und musste sich von einem gut vorbereiteten Sigmar Gabriel zerlegen lassen. Und alles was der CDU-Mann auf der Pfanne hatte, war mit dem Finger auf die Sozis zu zeigen und Gabriel vorzuwerfen, die deutschen Problemmeiler nicht in seiner Zeit als Umweltminister selbst stillgelegt zu haben. Der SPD-Chef kann immerhin von sich behaupten, es versucht zu haben, sollte aber jetzt auch keinen Wahlkampf machen.

Offensichtlich ist es aber vom Politbetrieb zu viel verlangt, angesichts der katastrophalen Entwicklung in Japan einmal innezuhalten und nicht die üblichen Phrasen zu dreschen. Die Ereignisse in den japanischen Reaktoren sind für die Technik der Game Changer. Wenn selbst ein Hochtechnologieland die Atomkraft im Ernstfall nicht beherrschen kann, braucht die Diskussion einen harten Reset. Die alten Argumente taugen nichts mehr.

Die Energiepolitik muss neu gedacht werden, alles steht zur Debatte. Das gilt allerdings auch für die Gegenargumente und Alternativen. Und wer mit Merkel, Kauder und Röttgen der Meinung ist, „unsere Atomkraftwerke sind sicher“ (man beachte die in diesem Zusammenhang gerne benutzte Einschränkung à la „nach Maßgabe dessen was wir wissen“) und wir haben ja auch keine Erdbeben, der soll sich mal mit einigen Theorien zum Unfallrisiko in komplexen Systemen befassen (Stichwort Normal Accident).